Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB dient dazu, sicherzustellen, dass Pflichtteilsberechtigte durch Schenkungen des Erblassers, die den Nachlass vermindern, nicht benachteiligt werden. Damit lässt sich ein fairer Pflichtteil gewährleisten, selbst wenn der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen hat, die den Wert des Nachlasses mindern könnten.
Schritt 1: Ermittlung der relevanten Schenkungen
Zuerst werden alle Schenkungen des Erblassers betrachtet, die in den letzten zehn Jahren vor dessen Tod stattgefunden haben. Diese Zuwendungen werden rechnerisch zum Nachlass hinzugerechnet, wodurch ein sogenannter „fiktiver Nachlass“ entsteht. Dieser fiktive Nachlass dient als Grundlage zur Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs, als wäre der Nachlass durch die Schenkungen in dieser Höhe noch vorhanden.
Schritt 2: Anwendung der Abschmelzungsregelung
Um den Wert der Schenkungen über die Zeit angemessen zu berücksichtigen, wird der Schenkungswert jährlich reduziert, was als „Abschmelzungsregelung“ bezeichnet wird. Der Wert der Schenkung verringert sich mit jedem Jahr um 10 %, beginnend mit dem zweiten Jahr vor dem Tod des Erblassers. „Dies bedeutet, dass Schenkungen im Jahr vor dem Tod in voller Höhe berücksichtigt werden, während sie im zehnten Jahr nur noch zu 10 % zählen und ab dem elften Jahr gar nicht mehr“ erklärt Rechtsanwalt István Cocron.
Anrechnungsprozentsatz nach Jahren:
Jahr seit der Schenkung | Anrechnungsprozentsatz |
Jahr | 100 % |
Jahr | 90 % |
Jahr | 80 % |
… | … |
Jahr | 10 % |
Ab dem 11. Jahr | 0 % |
Schritt 3: Berechnung des fiktiven Nachlasswerts
Der tatsächliche Nachlass wird nun um den abgeschmolzenen Wert der Schenkungen erhöht, was den fiktiven Nachlass ergibt. Der fiktive Nachlass ist der Wert, auf dessen Basis der Pflichtteil berechnet wird.
Fiktiver Nachlass = Nachlass + abgeschmolzene Schenkungswerte
Schritt 4: Ermittlung der Pflichtteilsquote und des Pflichtteilsergänzungsanspruchs
1. Pflichtteilsquote: Zunächst wird die gesetzliche Pflichtteilsquote des Berechtigten ermittelt, zum Beispiel ein Viertel (1/4) für ein einziges Kind.
2. Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs: Die Pflichtteilsquote wird auf den fiktiven Nachlasswert angewendet und dann um den bereits bestehenden Pflichtteil aus dem tatsächlichen Nachlass vermindert. Das Ergebnis ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Pflichtteilsergänzungsanspruch = Pflichtteilsquote x Fiktiver Nachlass – Pflichtteil aus dem tatsächlichen Nachlass
„Der Pflichtteilsergänzungsanspruch sichert somit den Pflichtteilsberechtigten einen zusätzlichen Betrag, um sicherzustellen, dass sie trotz Schenkungen des Erblassers den ihnen zustehenden Pflichtteil erhalten“ so Rechtsanwalt Cocron.